Wildkräuterwanderung in Berlin: Essbare Kräuter sammeln

Dort, wo die meisten achtlos vorbeilaufen, findet Manuel Larbig von Waldsamkeit, seine grünen Schätze: Sauerampfer, Beifuß, Rauke – essbare Kräuter direkt am Straßenrand, mitten in der Großstadt, zwischen Büro- und Wohngebäuden. Wir begleiteten ihn auf seiner Wildkräuterwanderung und lernen viel über Hintergründe und Vorteile heimischer Kräuter.

"Bei uns lernen Sie welche heimischen Pflanzen man essen kann und welche giftig sind."

Manuel Larbig, Wildkräuterexperte aus Berlin


Auf dem Weg zu den wilden Kräutern

"Auf dem Weg zu den wilden Kräutern Mit Manuel Larbig lernen wir die Großstadt heute mal von einer anderen Seite kennen: grün und wild. Aber auch: essbar und heilsam. Denn der studierte Biologe, der mit uns abseits der normalen Pfade den grünen Großstadtdschungel erkundet, kennt jedes „Unkraut“, weiß, was man essen kann und was giftig ist.

Auf Wildkräuterwanderungen durch Berlin und das grüne Umland teilt er sein vielfältiges Wissen. Mit Erfolg: Die Wanderungen, die er seit 2016 auf der Webseite seines Unternehmens Waldsamkeit anbietet, sind immer wieder schnell ausgebucht."


Waldsamkeit vermittelt Kräuterwissen auf unterhaltsame Art

Der 35-Jährige Larbig bietet Wildkräuter-Kochkurse, Survival Trainings, Vogelbestimmungen und Pilzführungen an. Zudem Firmenevents und Onlinekurse, die das achtköpfige Team erarbeitet.

Auch Bücher hat Manuel geschrieben: „Mein Wildkräuter-Guide“ und „Waldwandern“, in dem er seine 1.100 Kilometer lange Wanderung durch Deutschland schildert – ganz ohne Ausrüstung. Es gehe ihm um eine moderne Vermittlung von altem Wissen. Und so steht er jetzt hier in urbaner Atmosphäre und teilt mit uns ganz locker seinen Erfahrungsschatz.

Die Grünfläche, auf der wir knietief im Wildwuchs stehen, liegt in der Nähe des Berliner Nordbahnhofs, umgeben von mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshäusern. Manuel hält einen Stängel mit kleinen dottergelben Blüten in den Fingern. Das Johanniskraut, auch Sonnenwendkraut genannt, scheint ein Tausendsassa zu sein: Eine wundheilende, entzündungshemmende, aber auch stimmungsaufhellende Wirkung wird der Pflanze zugesprochen. Die Blütenblätter, die er zerreibt, färben seine Finger rot.


Mit der Natur auf Tuchfühlung

So viel Gutes dem Johanniskraut auch nachgesagt wird: Seine Anwendung erfordert doch etwas Vorwissen und Vorsicht. Die Wirkung der Antibabypille hebe die Heilpflanze nämlich auf, ergänzt der Kräuterexperte. Und auch die Sonne sollte man nach einer Anwendung lieber meiden. Denn das Kraut mache die Haut lichtdurchlässiger. „Man bekommt also schneller einen Sonnenbrand“, so Manuel.

Querfeldein spazieren wir durchs Gras, als unser Guide an einem schulterhohen Strauch Halt macht. Eine Hundsrose, erklärt er. Deren Hagebutten seien zwar schon als solche zu erkennen, ihre leuchtend rote Farbe hätten sie aber noch nicht. Zu früh, um sie zu ernten. Nur ein paar Schritte weiter hält er uns schon die nächste Pflanze samt ihrer weißen Wurzel unter die Nase. Es ist eine Wilde Möhre – nicht mal so dick wie ein Bleistift.


Wildkräuter: Zum Essen gibt’s da draußen genug!

Weit vorangekommen sind wir noch nicht, selbst dieser auf den ersten Blick unscheinbare grüne Fleck ist für den Wildkräuter-Fan eine echte Fundgrube. Auch die anderen Teilnehmer begutachten nun jede einzelne Pflanze sorgfältig. Unkraut? Gibt es in unseren Augen nicht mehr. Stattdessen sind wir auf Schatzsuche!

„Eigentlich findet man überall etwas Essbares“, sagt Manuel und hat schon wieder ein paar Stängel zwischen den Fingern. „Auf dem Markt wird das völlig überteuert angeboten, aber eigentlich wächst es überall. Das muss man wirklich nicht kaufen.“ Es ist Beifuß, ein typisches Gänsebratengewürz, toll für herzhafte Eintöpfe, gebratene Brotwürfel oder Eistee. Auch zur Herkunft des eigentümlichen Namens weiß er eine Geschichte: „Die Germanen glaubten, man könne ausdauernder laufen, wenn man sich Beifuß ans Bein bindet.“


Wo Sie Wildkräuter lieber links liegen lassen

Das nächste Kraut von Interesse wächst nur wenige Meter weiter. Echtes Seifenkraut, das dank seiner Saponine früher zum Wäschewaschen genutzt wurde. „Es ist so mild, dass es auch heute noch zum Säubern von Museumsexponaten verwendet wird“, sagt Manuel und setzt dann an, um etwas zu den Standorten der Wildkräuter zu sagen.

Die unmittelbare Nähe zu einer Hauptverkehrsstraße sei ein Ausschlusskriterium für das Sammeln. Dort seien die Pflanzen durch Reifenabrieb (Feinstaub) und Schwermetalle zu sehr belastet. „Das lagert sich in den Pflanzen ab und lässt sich nicht einfach so abwaschen.“

Auch von ehemaligen Industriestandorten oder Bahngeländen rät er ab, „und Naturschutzgebiete sind selbstverständlich tabu“. Aber in kleinen Seitenstraßen oder mit einem Mindestabstand von zehn Metern zur nächsten großen Straße sei das Pflücken gut vertretbar.


Keine Angst vom berüchtigten Fuchsbandwurm

Nach dem Fuchsbandwurm werde er immer wieder gefragt. Aber der sei keine Gefahr für Wildkräutersammler, sondern eher ein hartnäckiger Mythos. Die Krankheit sei zwar durchaus ernst zu nehmen, werde aber laut gängiger Meinung vieler Ärzte über die Atemwege übertragen.

„Etwa wenn der Bauer mit dem Traktor über den Acker fährt und kontaminierter Kot aufgewirbelt und eingeatmet wird oder wenn der Jäger das Fell vom Fuchs abzieht und da noch Kot dranhängt“, so der Experte. Unter den etwa 20 Fällen pro Jahr, die fast alle in Bayern und Baden-Württemberg gezählt wurden, gebe es keinen einzigen nachgewiesenen Fall einer Übertragung durch Wildkräuter, Pilze oder Beeren.


Selbstgemachte Wiesen-Kräuterbutter

Gut für uns – und neben der Nachricht, dass auch der Urin von Hunden keine ernsten Krankheiten verursache, Grund genug, gleich noch was für unser Picknick zu suchen. Das Brot dafür haben wir mitgebracht. Eine mit Wildkräutern verfeinerte Butter soll an Ort und Stelle zubereitet werden.

Manuel stellt eine bunte Mischung zusammen. Und überrascht uns erneut: mit echter Rucola, die niemand hier vermutet hätte. Wilde Rauke oder „Stinkrauke“, wie er sie auch nennt, wachse überall in Berlin. Geschmacklich etwas intensiver als die aus dem Supermarkt macht sie sich im Salat gut und sorgt in unserer Kräuterbutter für die nötige Würze.


Mit Wildkräutern kochen

Als Nächstes zupft Manuel etwas Graukresse, ihre Schoten und Blüten schmecken senfartig. „In unseren Kochkursen panieren wir damit Schafskäse“, kommentiert er die Pflanzen mit den winzigen weißen Blüten, während er Ausschau nach der nächsten Zutat hält: ein paar Blätter von der Form einer Lanzenspitze – Sauerampfer. Er wird der Butter einen Hauch von Säure verleihen.

„Eignet sich auch hervorragend für Desserts“, sagt Manuel, der zu guter Letzt, als optisches Highlight, eine Flockenblume mit lilafarbener Blüte pflückt. Als die gehackten Kräuter, vermengt mit der Butter, auf unseren Broten landen, verstummt die Gruppe andächtig. Es schmeckt würziger und so ganz anders als die gekaufte Kräuterbutter. Der frischen Ernte aus dem Großstadtdschungel sei Dank.


Überall am Wegesrand: 6 verbreitete Wildkräuter

Diese Wildkräuter können Sie essen:

Beifuss
Klassisches Gänsebratengewürz, aber auch für Herzhaftes und Eistee geeignet. Enthält viele Bitterstoffe und regt so die Fettverbrennung an.

Flockenblume
Blätter, Triebspitzen, Blüten und die Wurzel sind essbar. Dank der Bitterstoffe verdauungsfördernd. Lässt sich als Tee oder als dekoratives Element im Salat oder in der Kräuterbutter verwenden.

Graukresse
Schmeckt dank ihrer Senföle kresseartig und leicht scharf – und einfach auf dem Butterbrot oder in einer Panade sehr lecker. Sie gilt als antiviral, antibiotisch und, das belegen Studien, tumorhemmend.

Wilde Rauke
Wesentlich intensiverer Geschmack als Rucola aus dem Supermarkt, kann aber genauso verwendet werden. Passt prima auf Pasta und Pizza. Die Bitterstoffe lassen sich durch Wässern mildern.

Schafgarbe
Markanter Geruch nach Kamille. Gut als würzige Zugabe in Gemüsegerichten oder im Kräuterquark. Antibakterielle und entzündungshemmende Wirkung. Als Tee oder Sitzbad bei Völlegefühl, Blähungen und Menstruationsbeschwerden.

Sauerampfer
Reich an Vitamin C und Gerbstoffen. Die Blätter werden frisch als Salat und als Spinat gegessen und auch gern zu Pesto oder Suppe verarbeitet. Wird dazu bei Hauterkrankungen, Verstopfungen und Blutarmut eingesetzt, soll appetitanregend und menstruationsregulierend wirken.


Das könnte Sie auch interessieren: